Yamaha XS 1100 (2H9) - 2 - Kultmoto

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Revisonsbericht Teil 2 - Fortsetzung von Teil 1
Voller Druck: Die Kompressionsmessung an den vier Brennkammern gab keinen Anlass zum reklamieren. Mit 12 Bar ist da alles im 'grünen Bereich'.
Das es nicht immer so freudig weiter gehen kann war natürlich auch klar.   Was ich dann nach kurzer Zeit beim Einlassventil von Zylinder Nr 1   entdeckte konnte keine Freude bereiten… Grosse Teile des Strömungskanals   waren an der Oberfläche mit erheblichen Rostspuren versetzt. Der   Ventilstössel selber war zwar noch blank und auch die Funktion des   Ventils schien absolut noch intakt. Dies bestätigte auch die   Kompressionsmessung auf allen Zylindern. Diese war bei allen Zylindern   im absolut perfekten Bereich von rund 12 Bar!
Der Einlass von Zylinder 1 gibt zu denken: Ein Testlauf in den nächsten Tagen soll zeigen ob mit Schwierigkeiten zu rechnen ist.
War also hier beim Zylinder 1 das Benzin den ganzen Sommer über durchgesichert und in den Motorinnenraum geflossen... Benzin das wegen des sehr regnerischen Sommers früher oder später mit Wasser zersetzt war und so die Rostbildung begünstigt hatte? Es ist die im Moment plausibelste Erklärung.
Bereit für die weitere Restauration: Die XS1100 mit dem neuen Tank, der neuen Sitzbank und teilweise gereinigtem Motorblock.
Zwischenstand 27.11.2014

Nicht die Winterkälte war es die nach einer Pause verlangte, vielmehr die Entwicklungs-Projekte und Aufgaben die im Büro anstanden. Deshalb blieb ‚die Dicke‘ für einige Monate und bis weit in das Frühjahr 2015 unangetastet auf dem Werkstattlift stehen. Allerdings hatte ich nun alle benötigten Teile beieinander, so dass die Weiterführung des Restaurationsprojektes ab März 2015 zügig voran gehen konnte.
Auch bei diesem Restaurationsprojekt von zentraler Bedeutung: Minutiöses reinigen und kontrollieren aller wichtigen Komponenten. Hier die beiden Gabelholme zerlegt auf der Reinigungseinrichtung unserer Werkstatt.
Zwischenzeitlich war die Vergaserbatterie bereits im Ultraschallbad gelegen und wieder fit für die spätere Montage. Ebenso die Tankhähne welche komplett demontiert und gereinigt worden waren.
Eines der zentralen Elemente für eine problemlose Kraftstoffzufuhr: Beide Tankhähne nach der gründlichen Ultraschallreinigung bereits wieder zusammen gebaut und bereit für den Einbau.
Lenkkopf Lager / Gabel / Vorderrad

Als nächstes wurde das Moped vorne aufgebockt und die Vordergabel demontiert und in die Einzelteile zerlegt. Die Auswechslung des Lenkkopflagers ist bereits ein Standard bei meinen Restaurationen und mit über 70‘000 km auf dem Buckel (vorausgesetzt es wurde noch nie gewechselt, was ich natürlich nicht mit Bestimmtheit beurteilen kann) war es an der Zeit hier aktiv zu werden. Man spürte es ja auch beim Bewegen der Lenkung ob das Lager noch was taugt.
'Karies' pur würde man wohl beim Homo Sapiens diagnostizieren: Dazu braucht es keine weiteren Ausführungen. Wer mit diesem Lenkkopf weiterfährt hat sie wohl nicht alle ....
Welch eine Wohltat: .... nach vollbrachtem Austausch der neuen Lenkkopflager (rechts).
Die grösste Herausforderung war bei dieser Arbeit das Abziehen des unteren Ringes auf dem Innenrohr. Dies war eine wirklich äusserst schwierige und heikle Aufgabe, aber wo ein Wille ist scheint es tatsächlich auch immer einen Weg zu geben.

Bei der Inspektion der Gabelholme und der Federn zeigten sich glücklicherweise keine grösseren Mängel. Einfach unglaublich verschmutzt waren die Teile, vor allem die äusseren. Aber auch innen musste alles gesäubert werden. Vor dem Zusammenbau kamen neue Öldichtringe rein und fertig waren die beiden Holme…. und schön anzuschauen sind sie nun auch wieder.
So langsam aber sicher läuft einem schon das Wasser im Mund zusammen: Die mit Rost durchsetzte vordere, rechte Bremsscheibe 'wanderte' nach der Reinigung auf das Hinterrad. Nach vorne rückte die gut erhaltene und baugleiche Bremsscheibe vom hinteren Rad.  Das Bild rechts zeigt die gereinigte Frontpartie nach dem ersten Zusammenbau.
Beim vorderen Rad fiel vor allem die rechte Bremsscheibe sofort auf: Sie war, ebenso wie die Bremszange, völlig mit Rost überzogen. Nicht nur deshalb war eine komplette Zerlegung des Vorderrades angezeigt. Offenbar war das Bike lange draussen gestanden, wobei vor allem die rechte Seite dem Wetter ungeschützt ausgesetzt gewesen sein muss. Entsprechend waren auch die Radlager futsch und so wurden sie beide gegen neue ausgetauscht.
Unscheinbar aber wichtig: Die Schwinge nach Reinigung und Neulackierung bereit zur weiteren Bearbeitung (siehe nächstes Bild)
Einsetzen der neuen Schwingenlager: Deutlich erkennbare Gebrauchsspuren auf der Lagerschale ganz links, während die neue Lagerschale schon in der Schwinge eingepresst wurde (linkes Bild). Einbaufertige  Schwingenlagerung auf dem Bild rechts.
Eine weitere Baustelle waren noch die beiden Seitendeckel und das Abschlussstück am Sattel. Zudem fehlten ja auch die beiden seitlichen Zierlisten am Sattel. Diese konnte ich als Reproduktion auf dem Internet finden und in England für gutes Geld bestellen. Sie waren noch blank und mussten noch zusammen mit den andern Teilen neu lackiert werden. Also machte ich mich daran den linken Seitendeckel, der arg ramponiert und auch gebrochen war, zu reparieren. Wie bei der vorjährigen XJ650 Turbo Restauration machte ich die Reparatur mit Epoxy-Glasfaser.
Klebrige Sache: Innenreparatur des linken Seitendeckels mit Glasfasermatte und 2K-Epoxyharz.
Nach dem Schleifen und spachteln aller zu lackierenden Teile konnten diese mit 2K-Lack gespritzt werden. Ich entschied mich für alle künftigen Spritzarbeiten nur noch die Airbrush Pistole zu benutzen. Um optimale Resultate zu erhalten muss die 2K-Farbmischung für‘s Airbrushen um 70% (!) verdünnt werden. Zuerst wurden zwei Schichten schwarz glänzend aufgetragen. Danach kamen die Decorkleber drauf und darüber gab‘s dann nochmal eine (Schutz-) Schicht mit Klarlack.

Weitere Lackierarbeiten gab es für das Endstück am Sattel, die hintere Schwinge, die hinteren Stossdämpfer, die Becher  für die Armaturen Tacho und Drehzahlmesser, sowie für Gabelbrücke  und Lenkerbefestigung.
Bildvorlagen aus dem Internet: Die Lackierarbeiten an verschiedenen Carossierieteilen sind das Eine. Danach ist millimetergenaues Kleben der diversen Dekors angesagt.
Einmal mehr stark korrodierte Hinterradfederungen: Auch hier müssen die hinteren Federungen gründlich gereinigt und bearbeitet werden. Stundenlanges polieren der Federspiralen und neu lackieren der Dämpfer gehört zu den Standartarbeiten für eine erfolgreiche Renovierung. Eine Presse ermöglicht die einfache Demontage der Stossdämpfer.
Labile Angelegenheit: Nach dem Reinigen und Neulackieren der hinteren Dämpfer  müssen diese für den Einbau wieder vorgespannt werden. Trotz speziell angefertigter Presseinrichtung bleibt das Einsetzen des Sperrringes eine heikle Aufgabe.
Bremsen

Vor allem die vorderen Bremssättel waren in einem desolaten Zustand. Ein Bremskolben hatte auch nach dem polieren dermassen tiefe Erosionsspuren vom Rost dass ich entschied einen neuen zu besorgen. Erneuert wurden auch sämtliche Gummiteile und die Bremsbeläge.
Festgefahren: Der Bremskolben auf dem Bild links war definitiv nicht mehr zu retten. Die Korrosions-Spuren sind auch nach dem Polieren noch deutlich sichtbar (linker Kolben auf dem Bild rechts). Der überarbeitete Bremssattel bekommt neue Gummiteile und einen neuen Bremskolben (ganz rechts auf dem rechten Bild).
Komplett überarbeitet wurden auch der hintere und der vordere Bremszylinder und zu guter Letzt gibt’s einen kompletten Satz Stahlflex-Schläuche für hinten und vorne.

Restauration der Elektrik
Äusserliche Erscheinungen für den Projektfortschritt: Die Blinker sind montiert der Scheinwerfer ist gerichtet. Noch müssen sämtliche Kontakte, die Armaturen und der Sicherungskasten überarbeitet werden.
Ausser dem Reinigen und teilweise richten der elektrischen Kontakte musste ein neuer Sicherungskasten her. Hier bevorzugte ich wie bereits beim XJ650 Turbo Projekt der Einsatz einer KFZ-kompatiblen Lösung. Bei den Instrumenten wurden sämtliche Beleuchtungs- und Anzeigelampen ersetzt. Ansonsten waren die elektrischen Anlagen noch in einem passablen Zustand und es mussten nur noch die Blinker und die beiden Hupen montiert und in Betrieb genommen werden.

Testfahrten und die kleinen Mängel
'Die Mutter' aller erfolgreichen Renovationen: Ordnung und Sauberkeit am Werkplatz.
Ohne Kompromisse: Bei der Montage sicherheitsrelevanter Komponenten gilt die Null-Toleranz. Hier das Festschrauben der Bremsscheiben nach vorgegebenem Drehmoment.
Auf einer Testfahrt blieb ich einmal stehen weil bei den elektrischen Kontakten noch ein Wackelkontakt vorhanden war. Nicht nur ärgerlich, sondern auch 5 km zu Fuss bei sommerlicher Hitze in die Werkstatt Werkzeug hohlen ... und zurück marschieren!

Probleme gab es teilweise auch bei der Benzinzufuhr wenn sich der Tank leerte. Die Ursache war eine verklebte Membran bei der Tankentlüftung.
Nach getaner Arbeit: Der unvermeidliche vorher-nachher Vergleich ist immer wieder ein besonderer Genuss!
Die amtliche Kontrolle fand am 13.07.2015 beim lokalen   Strassenverkehrsamt statt. Das Bike bekam die Freigabe ohne nennenswerte   Beanstandung und erhielt auch den Veteranenstatus zugesprochen.

Endstand 14.08.2015

Diese XS1100 wurde im   Schrauber-Magazin 'Oldtimer Praxis' im Februar 2016 porträtiert.
Hier gibt's den eingescannten Bericht als PDF-Dokument
 
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